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das Logbuch Wien - Nizza | September 2012

 

29.09.2012

newsletter #17

Il Mare, la mer, das Meer!!!

Ihr Lieben, meine allerliebsten WeggefaehrtInnen,

kaum zu glauben, nicht zu fassen, ich bin tatsaechlich angekommen!!!

Nach fast fuenf Monaten zu Fuss von Wien ueber alle Berge ans Meer. Was fuer eine Reise! Und ich kann es selbst gar nicht glauben, dass ich das tatsaechlich gegangen bin und geschafft habe.

Am Stilfser Joch hatte mir Edi die "rote Via Alpina" Beschreibung fuer die kommenden 4 Wochen mitgebracht und beim betrachten der taeglich zu ueberwindenden Distanzen, Gehzeiten und Hoehenmeter wurde mir kurzfristig ganz mulmig zumute und mein Mut sank ein wenig, weil ich dachte: "wie soll ich das jemals schaffen?"

Dabei hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon einiges geschafft: den nordwestlichen Wienerwald bis zum Schoepfl gequert, dem Wiener Mariazeller Weg nach Mariazell gefolgt, dort 5 Kerzen fuer die Erde, fuer meine Familie, fuer euch und fuer mich und diese Reise angezuendet. Dann ging es weiter ueber die Tonion, Fischbacher Alpen, Teichalm, Mixnitz, Gleinalpe, Sekau, Ingering, Judenburg, Seetaleralpen, Saualpe (da war's kalt und windig), dort haben mich Richie und Angie fuer den weiteren Weg aufgewaermt und gestaerkt, wie so oft auf dieser Reise und immer wieder waren es die Begegnungen am Wegrand, die Gastfreundschaft in den Huetten, Hotels, Herbergen, die WeggefaehrtInnen zu Hause und unterwegs, die mir Kraft und Mut fuer den weiteren Weg geschenkt haben. Den langen Atem und die Geduld mit mir und den Umstaenden habe ich selbst beigesteuert.

Der Rest war ganz einfach: essen, schlafen, aufstehen, verabschieden, gehen, weitergehen. und alles einfache kann auch ganz schoen schwer sein :-) aber mit Liebe geht alles ganz einfach :-)

Ich wusste schon, dass ich den Wald, die Berge, das Wasser, die Erde, den Himmel, die Blumen, den Wind, die Weite, das draussen Sein, das unterwegs Sein und vor allem das Gehen liebe, aber ich wusste nicht, wie sehr ich es liebe, dass ich es so sehr liebe, dass ich am Schluss, anstatt den einfachen Weg nach Nizza zu gehen, nochmal in die Berge bin und dafuer die wahrscheinlich schwierigsten Wetterverhaeltnisse dieser Reise in Kauf genommen habe.

Diesen Weg zu gehen, ihn tatsaechlich bis zu seinem Ende gehen zu koennen, hat mir nicht nur Kraft gegeben, sondern ein tiefes Vertrauen in das Leben selbst. Und das Wissen, dass es sich nicht lohnt und reine Zeitverschwendung ist, etwas zu tun, dass man nicht liebt und dass keine Freude macht, weil man glaubt, dass es sich so gehoert, weil man denkt, dass es sein muss, weil man sich fuer jede Form der Selbstverleugnung einen Lohn erhofft, der dann in der Zukunft eintreten wird.

Alles Betrug. Selbstbetrug. Und es geht nicht darum, dass ich dafuer plaediere, weniger zu arbeiten (wobei das keine schlechte Idee ist :-), sondern ich plaediere dafuer, dass wir aufhoeren fuer Geld zu arbeiten, dass wir fuer unser Leben und am Leben "arbeiten" und dass wir nichts tun, das uns keine Freude bereitet. Uns nicht auf den Status von "Pflichterfuellungssklaven" reduzieren zu lassen, dafuer ist unser Leben zu kostbar und viel zu kurz.

Zurueck zum Weg. Von Voeklermarkt ging es nach Gallitzien, von dort auf den Hochobir und zur Eisenkappelerhuette. In Gallitzien hatte ich Karin und Tony getroffen, die mich bis ans Ende der Reise mit ihren Gedanken und Worten begleitet haben - wie so viele von euch!!! Und es war mir nur sehr selten moeglich, euch allen zu antworten, aber eure "Briefe" an mich, waren die wichtigste Wegnahrung, immer zum richtigen Zeitpunkt, genau der richtige Satz, ein Wort, ein Gedanke und schon ging's wieder weiter, rueckengestaerkt und fussbeschwingt. Dafuer danke ich euch allen aus ganzem Herzen!

Auch das ein Teil meiner Reise: die Schwierigkeiten mit dem handy (displayfehler, kein Empfang, voller Speicher etc.) oder so wie jetzt, wenn ich dann endlich mal Zugang zu einem funktionierenden Computer habe/hatte Absturz mitten drinn - Text weg.

Aber ich bin nicht abgestuerzt, habe mich kaum verirrt, habe mich nicht verletzt, bin nicht krank geworden und meine Fuesse haben mich bis ans Meer getragen. Dafuer danke ich allen un/sichtbaren Schutzengel und guten Kraeften auch der weisen Weg- und Wetterberatung von Erich, der mir nicht nur seinen Traum (von Wien nach Nizza ueber die Alpen zu gehen) geschenkt hat, sondern auch immer wieder seine hilfreichen, umsichtigen Beratungen in Sachen "wie weiter", von ihm habe ich auch gelernt, dass das abwarten und warten koennen manchmal einen ganz wichtige Faehigkeit in den Bergen bedeutet (und nicht nur dort). Schwierig in einer Gesellschaft, die unter dem Zwang der staendigen und sofortigen Verfuegbarkeit von allem leidet und keine Zeit mehr zu haben scheint, um anzukommen und zu verweilen.

Meine Reise hat mich nicht nur durch innere und aeussere Landschaften, durch Nebel, Gewitter, Hagel, Wind, Sturm, Sonne, Kaelte, Hitze gefuehrt, sondern auch durch alle Jahreszeiten. Und jetzt weiss ich, dass es gut ist sich im Herbst langsam in tiefere Lagen und Richtung nach Hause zu bewegen, denn dann kann es da oben schon recht unwirtlich und ungemuetlich werden.

Gewartet habe ich des oefteren, so auch in Agoritschach vor der Querung des Karnischen Kamms, das hatte ich in den Karawanken gelernt, wo ich aufgrund von Schlechtwetter jeden Tag vergeblich versucht habe, auf die slowenische Seite zu kommen und immer wieder im Tal gelandet bin. Nicht nur ist das abwarten eine wichtige Faehigkeit, sondern auch die Offenheit fuer immer neue Moeglichkeiten und Loesungen. Es gibt tatsaechlich viele Wege und manchmal muss man den leichteren waehlen, um ueber einen anderen Pass ins naechste Tal zu kommen. Umdrehen koennen ist auch ganz wichtig, sich nicht in eine einzige Loesung verbeissen, sondern weich, flexibel und offen fuer alle Moeglichkeiten sein, zu wissen, wessen Ratschlag weise und hilfreich ist, und ansonsten vor allem auf den eigenen Koerper hoeren und der Intuition vertrauen. Alles das hat sich als sehr hilfreich erwiesen und ich hoffe, dass ich dieses Wissen auch mit nach Hause in die Stadt mitnehmen kann.

Wie ihr schon merkt - es war ein langer Weg und eine lange Reise, schwierig, diese kurz zu skizzieren (was ich vorhatte :-)).

Am Karnischen Kamm hatte ich nach 4 Tagen abwarten in Agoritschach, wo ich von Margit, die ich bei einem sonntaeglichen Spaziergang (in einer Regenpause) kennengelernt hatte, auf einen Melissentee eingeladen wurde. Auch sie seither eine treue Wegbegleiterin, wie so viele andere die ich unterwegs getroffen habe und an anderer Stelle namentlich erwaehnen moechte. Aber jetzt draengt die Zeit, weil ich in Kuerze dieses nette Hotel, direkt am Strand von Menton verlassen werde, um mich auf den Weg nach Nizza zu machen.

Bei meiner gestrigen Ankunft bin ich fuer euch alle ins Meer gesprungen und es war nicht mal kalt :-), im Gegenteil, so angenehm, dass ich bereits heute frueh nochmal ins Wasser ging und allen Goettinnen, dem Universum, meiner Familie, den FreundInnen, den WegbegleiterInnen zu Hause und unterwegs, den Bergen, der Natur, der MA7, den privaten UnterstuetzerInnen und mir selbst fuer diese Reise gedankt habe. Es war eine der wichtigsten Entscheidungen meines bisherigen Lebens, diese zu beginnen und zu Ende zu fuehren, und ich weiss, dass ich nicht in mein "altes Leben" zurueckkehren kann. Etwas hat sich veraendert und staendig aendert sich alles. Ich bin neugierig, wohin mich mein Weg fuehren wird und wie ich all die Kraft und Erkenntnisse, die ich auf dieser Reise gewonnen und geschenkt bekommen habe, mit euch und zum Wohle aller "in die Welt bringen kann".

Ganz kurz noch fuer alle WegfetischistInnen (Simon meinte irgendwann ganz trocken "Wege werden ueberschaetzt").

Vom Karnischen Kamm, den ich bei hervorragendem Wetter in 7 Tagen gequert hatte, um in Sillian von Hr. Gasser, Vera und Claudia auf allen Ebenen verwoehnt und gestaerkt zu werden, ging es weiter in die Dolomiten, dort wurde auf der Peitlerkofelscharte mein Rucksack gestohlen, eine wichtige Zaesur der bisherigen Reise (im Rueckblick betrachtet), denn es hat mir verdeutlicht, dass ich tatsaechlich nicht alleine bin und niemals war und dass es nichts wichtigeres im Leben gibt, als die FreundInnen und die Menschen die wir lieben und das Menschen tatsaechlich gerne zum Wohlergehen anderer beitragen und auch fuer diese Erfahrung und Erkenntnis danke ich euch aus ganzem Herzen!!!

Wie ihr seht, ist die Kurzfassung Weg ziemlich schwierig :-) bei dieser Fuelle an Eindruecken, Erlebnissen, Begegnungen, Erkenntnissen, ganz zu schweigen von all den Paessen, Uebergaengen, Taelern und dem Tod, der auf dieser Reise mein wichtigster Wegbegleiter war. Aber darueber in der Fortsetzung...

Rucksackdiebstahl. Zurueck nach Oesterreich (war bereits in Suedtirol).
10 Tage Aufenthalt, wo mich wieder Hr. Gasser, Claudia und auch Luise und Kai getroestet, gestaerkt und aufgebaut haben.

Zurueck in die Dolomiten (Pordoipass) von dort am gelben Via Alpina nach Bozen. Besuch bei Karin, leider viel zu kurz, Richtung Meran, dann gemeinsam mit Helga - der ersten offiziellen Weggefaehrtin- durch's Ultental, dann Ortlergruppe mit Edi, am Stilfser Joch Jean-Paul getroffen mit ihm 4 Wochen am roten Via Alpina, durch die Lombardei, wo mich meine Schwester Christina besucht und 4 Tage mit mir "spaziert" ist :-), Engadin, Tessin (unvergesslich anstrengend) bis nach Riale.

Von dort auf dem "Grande Traversata delle Alpi" durch den noerdlichen Piemont bis Susa. "Zufaellige" WeggefaehrtInnen in dieser Zeit waren Claudia, Simon und Jakob, die drei supernetten deutschen Frauen (hab grad ein Namensblackout, sorry), Paul und Ulli, Wolfgang, Detlef, hin und wieder Jean-Paul, Roeland und 4 Tage vor Susa "meine Herzenslieblinge, die "seltsamen Deutschen" - Frank und Ralf, die vielleicht mithilfe von Teresa mein Knie geheilt haben. Jedenfalls habe ich seit dieser Begegnung keine Knieschmerzen mehr gehabt und konnte alle weiteren zum Teil recht heftigen Abstiege problemlos bewaeltigen...

Von Susa ging's nach Briancon (ausnahmsweise mit Zug und Bus) und von dort auf dem GR5 nach St. Dalmas. Bis St. Dalmas war ich ab der Haelfte des Weges mit Nicole und Serge unterwegs, dann auf dem GR 52 wieder alleine und vor 2 Tagen ist im Ref. des Merveilles ein voellig durchnaesster, ausgehungerter, durchfrorener Wanderer aufgetaucht - David - und mit ihm bin ich die letzten zwei Tage zum Meer gewandert. Gestern Abend hat er mich, zur Feier des Tages, zum Essen eingeladen und es war schoen einen gemeinschaftlichen Abschluss meiner Reise zu erleben (und nicht den heroischen Alleingang, den ich mir ausgemalt hatte :-).

Ausser mir waren heuer 3 andere Frauen alleine in den Alpen unterwegs (sie querend), eine von ihnen ist Sonia. Wir haben uns auf der Feistritzer Alm getroffen und hatten einen wunderbaren gemeinsamen Tag, leider sind wir uns aufgrund des Rucksackdiebstahls nicht mehr begegnet, aber ich bin Sonia's Wegspuren gefolgt und das war ein wunderbar staerkendes Gefuehl, zu wissen, dass diesen Weg bereits viele andere vor mir gegangen sind, viele nach mir gehen werden, dass wir miteinander verbunden sind, in Liebe, Kraft, Mut und Weisheit miteinander verbunden sind und das unser Weg allen anderen Mut machen kann, den ihren zu gehen.

Das wuensche ich euch allen und allen Wesen! Moegen wir die Kraft und den Mut haben unseren (Herzens) Weg zu gehen. In Vertrauen und ins Vertrauen Gehen.

eure dream and walk about
Geherin

Menton, Hotel Palm Garavan [map], 29.09.2012

Grazie!Merci! Danke!

p.s. mein ganz besonderer Dank geht an fishy fuer seine unermuedliche und oft entnervende Betreuung des Reisetagebuchs. Alle weiteren Danksagungen folgen, muss Schluss machen, um die Nerven der sehr sympatischen Hotelchefin zu schonen (um 14:00 kommen die naechsten Gaeste).

 

28.09.2012

 

27.09.2012

Liebe WeggefährtInnen,

habe das Meer gesehen!!!! Heute am Weg nach Sospel am Pass du Diable 2436m hat es in der Ferne gut sichtbar hervor geschimmert :-) was für eine Freude! Und morgen Abend werde ich in Menton sein und für euch alle und auch für mich :-) ins Meer springen.

Eine Bitte habe ich: kann jemand den südlichsten Gipfel der Alpen ausfindig machen (müsste irgendwo oberhalb von Nizza sein)

Ich selbst werde am Sa den Küstenweg nach Nizza gehen, dort hoffentlich Michaela und Judith treffen und dann Christina besuchen, die zur Zeit an der Cote Urlaub macht und mich ein wenig von den Strapazen der letzten Tage erholen und euch hoffentlich ganz bald einen ausführlichen Brief schreiben, über den letzten Teil meiner langen Reise...

Die demnächst tatsächlich zu Ende geht (und ich weiß jetzt, was dieses Wort bedeutet :-)

Und jetzt muss ich ganz schnell ins Bett, soooo müde, 10 Std Marsch, über 2000 hm Abstieg hinter mir...

Schöne Träume wünsch ich euch allen und den Mut und die Kraft ein paar von diesen zu realisieren. Es lohnt sich :-)

eure Barbara [Standort]

 

26.09.2012

 

25.09.2012

newsletter #16

Ihr Lieben,

nachdem sich schon einige von euch erkundigt haben, wann ich denn endlich in Nizza ankomme, ein ganz kurzes Lebenszeichen von mir, damit ihr euch keine Sorgen zu machen braucht...

Weil meine bisherige Reise zu wenig abenteuerlich war, habe ich Montag frueh, trotz schlechter Wetterprognose, entschieden, nicht den dirkten Weg nach Nizza zu gehen, sondern noch einmal ueber die Berge, durch den Nationalpark Mercantour auf dem GR52 nach Menton, weil ich auf diesem Weg bis zum Schluss in den Bergen bleibe und in Menton direkt beim Meer ankomme und sowohl der Weg als auch Menton schoener sein soll als Nizza...

Was aber noch wichtiger ist und war, ist der Umstand, dass ich das Ende meiner Reise noch nicht angenommen habe, brauche noch ein paar Tage um mich von den Bergen und dieser wunderbaren Zeit zu verabschieden und zu bedanken. In Nizza waere ich bereits morgen gewesen, dass war mir einfach zu schnell...

Und jetzt bin ich im Ref. de Nice 2232m :) aufgrund des schlechten Wetters der einzige Gast und darf hier kurz den Computer verwenden, Empfang ansonsten gleich null.

Ziehe mir zur Zeit Bergintensitaet pur rein, fast mehr als mir lieb ist, aber da muss ich jetzt durch, im wahrsten Sinn des Wortes. Die einzige Alternative waere morgen Frueh ins Tal abzusteigen und wieder zum GR5 zurueck zu gehen und dann nach Nizza. Und wenn das Wetter morgen frueh bereits so sein sollte wie heute Nachmittag und gestern Vormittag, dann werde ich das auch machen, ansonsten gehe ich morgen ins Valle des Merveilles, von dort nach Sospel und von Sospel nach Menton. D.h. ich wuerde Freitag Abend in Menton am Meer ankommen. Das gefaellt mir auch deswegen ganz gut, weil ich auch am Freitag den 4. Mai aufgebrochen bin und ich die Freitage sehr liebgewonnen habe, auf dieser Reise...

Heute beim Abstieg vom Pas du Mont Colomb 2548m bin ich mitten im Nebel, Regen und eiskaltem Wind einem Steinbock begegnet, ganz nah war er und wunderschoen und wir haben uns einfach nur angeschaut und fuer diesen magischen Moment nehme ich alle Unannehmlichkeiten der letzten Tage: nass bis auf die Knochen, Gewitter, Hagel, Nebel, Kaelte und immer wieder Regen ohne Ende, drei Paesse zu ueberwinden, acht Stunden reine Gehzeit ohne Pause, weil Wetter zu schlecht, alle Unwirtlichkeit der Berge, das ganze Paket nehme ich fuer solche Momente (und davon gibt es unzaehlige) ohne Murren auf mich und danke allen Schutzengel und unsichtbaren Kraeften und euch allen, ihr meine lieben WeggefaehrtInnen, fuer eure Unterstuetzung und Anteilnahme an dieser langen Reise. Das naechste Mal gibt's bereits (hoffentlich bessere) Wetternachrichten vom Meer :)

Umarme euch alle mit Liebe und Dankbarkeit
eure Barbara

 

24.09.2012

Was für ein Tag! Zu allem Überfluss bin ich im bisher teuersten und wenig freundlichem Hotel Le Boreon in Boreon gelandet. Aber es gibt eine kleine Heizung, wo ich das völlig durchnässte Zeugs trocknen kann, die Matratze ist gut, vor dem Fenster des Zimmers, das nach hinten und Richtung Norden rausgeht, rauscht ein kleiner Bach. Für € 80.- konnte mir "die überaus freundliche" Hotelbesitzerin, nämlich kein Zimmer nach vorne Richtung Südwesten und mit Blick auf den Stausee geben, obwohl ich wahrscheinlich heute der einzige Gast hier bin. Habe fast mit ihr gestritten, denn ich wollte das Zimmer mit Sonne, um meine Sachen zu trocknen und auch um ein wenig zu entspannen, nach dem doch recht langen und anstrengenden Tag. Sei's drum, da meditiere ich den ganzen Tag vor mich hin und kaum kratzt mich jemand ein wenig, dann hätte ich die "Hoteltussi" am liebsten ein wenig durchgebeutelt, so geärgert hab ich mich. Das mit der buddhistischen Gelassenheit und bedürfnisorientierter Kommunikation ist wirklich nicht meine Stärke, oder war's zumindest nach diesem Tag nicht. Einfach weiterüben und zwischendurch explodieren :-), aber unterzuckert bin ich auch schon ein wenig, alles halb so wild.

Heute nach dem großen Regen und Gewitter habe ich im Wald eine Rehfamilie - Mama Reh mit 2 Kids - gesehen und sie haben mich nicht bemerkt, das war ein wunderbar friedlicher Moment und die Rehe haben sich den Regen einfach abgeschüttelt, und für uns Menschen ist es ungleich schwieriger in der Natur zu "überleben". Ich habe in den 5 Monaten keine geeignete Methode gefunden, um bei starkem Regen trocken zu bleiben und das Trocknen des ganzen Zeugs ist ungleich komplizierter als für das Reh.

Heute hat mir Roeland aus Belgien geschrieben, dass er bereits 2 Mal vergeblich versucht hat, auf dem GR 52 ins Val des Merveilles zu kommen und jedesmal wegen Schlechtwetter gescheitert ist und dass er das Wetter für die nächsten Tage gecheckt hat und dass es nicht so gut ausssieht. Aber morgen soll's angeblich schön sein :-)

Nun gut, ihr Lieben, und jetzt ist Essen angesagt, brauch ich jetzt dringend, morgen wird's auch wieder ganz schön lang. Selbst so entschieden, hätte ja auch ganz gemütlich nach Nizza spazieren können, aber wenn eine nach 5Monaten rauf und runter immer noch nicht genug hat, dann ist das eine wirklich große Liebe. Dachte mal, dass ich nach dieser Zeit, vielleicht genug haben könnte, aber das Gegenteil ist der Fall, kann mir ein Leben ohne Gehen gar nicht mehr vorstellen...

eure unermüdliche gebadete Bergmaus [Standort]

Hi, ihr Lieben!

Allen schlechten Wetterprognosen zum Trotz, habe ich mich heute Früh im Halbdunkel von Nicole u Serge verabschiedet und mich auf den längeren :-) Weg Richtung Menton :-) gemacht. Bereits beim Anstieg zum col de Veillons wurde der Nebel zunehmend dichter und ich habe meine buddhistischen Herzensgebete vor mich hergemurmelt und allen Wegbereitern für die fantastischen und frischen Markierungen gedankt, weil sonst wäre ich in diesem stürmischen Niemandsland komplett verloren gewesen... mittlerweile bin ich am col de Salese und es scheint ganz unschuldig die Sonne, in der ich versuche mein nasses Zeug zu trocknen. Nach dem col de Veillos ging es nämlich im ärgsten Sturm, am Kamm entlang zum Col du Barn 2452m, wo ich glaubte, das Ärgste überstanden zu haben. Der Nebel hatte sich ein wenig gelichtet und fröhlich vor mich hinsingend begann ich den Abstieg durch herrlich rotgefärbte Heidelbeerhänge, als es langsam und kontiunierlich immer stärker zu regnen begann und der freundliche Pfad unter meinen Füssen zu einem reißenden Gebirgsbach wurde. Ich sang tapfer weiter und hörte erst auf damit, als mich ein kräftiger Donnerschlag mächtig erschrak und kurz darauf ein ebenso heftiger Hagelschauer auf meinen Kopf prasselte. Schluß mit lustig :-) das wurde zum schnellsten und leichtfüßigsten Abstieg meiner bisherigen Reise, froh, dass ich zumindest früh genug aufgebrochen war und mich das Gewitter nicht oben am Pass erwischt hat... So naß war ich auch erst einmal am Weg von Isola nach Pian St. Giacomo, wo wir am Pass zur Borgettaalm umkehren mussten und uns die Hirten "trockengelegt" haben. Aber bei so einem Wetter alleine unterwegs zu sein, ist noch mal eine andere Herausforderung. Hatte aber erstaunlicherweise überhaupt keine Angst. Mittlerweile bin ich so stark mit einem ganz grundsätzlichen Vertrauen verbunden, dass ich nur mehr Angst vor Hunden :-) und seltsamen Männern habe (die mir zum Glück ohnehin nur 2mal begegnet sind)

Und jetzt geht's weiter. Das war der Abenteuerbericht Nr.1 vom GR52 :-) hoffe, es bleibt dabei...

xxxBarbara [Standort]

 

23.09.2012

Liebe WeggefährtInnen,

gestern vor einer Woche bin ich in Briancon aufgebrochen und heute bin ich bereits in St. Dalmas - Valdeblore. Spätestens morgen Früh muss ich entscheiden, ob ich weiter auf dem GR5 bleibe und den direkten Weg nach Nizza gehe, dann wäre ich in etwa 2-3 Tagen bereits am Ende meiner Reise angelangt. Oder ich bleibe im Nationalpark Mercantour und folge dem GR52 über die Berge bis nach Menton. Dort würde ich nächsten Freitag ankommen. Menton und der Weg durch das Valle des Merveilles sollen beide wunderschön sein, außerdem bleibt man auf diesem Weg bis zum Schluss in den Bergen. Leider ist für morgen ein großer Regen angesagt und auch die folgenden Tage, sieht's eher schlecht aus und auf diesem Weg wäre ich die nächsten Tage meistens in einer Höhe rund um 2500m. Nicole und Serge haben, nach der heutigen Etappe (die sehr lang, heiß und anstrengend war) entschieden, dass sie morgen den Bus nach Nizza nehmen und nach Hause fahren. Jetzt sind nur mehr Janet, Shawn und ich Richtung Meer unterwegs...

Das Meer ist zwar noch nicht zu sehen, aber die Landschaft wunderbar mediteran- jede Menge Schafherden, duftende Kräuter (wilder Lavendel und Thymian), felsige Pfade und die Farben und das Licht des Herbstes, welches immer intensiver wird. Nicole erzählt allen ganz stolz, dass ich bereits 5 Monate unterwegs bin und überhaupt haben mich die beiden ein wenig "adoptiert". Auch heute sind wir wieder gemeinsam in einem Zimmer im Gite des Marmottes (Murmeltiere :-) und das passt ganz gut, weil wir am Abend in unseren Schlafsäcken tatsächlich wie Murmeltiere aussehen. Morgen also wieder ein Abschied.

Und jetzt wird's etwas kalt hier draußen, deshalb verabschiede ich mich und wünsche euch einen gemütlichen Sonntag Abend und einen guten Wochenbeginn.

eure TraumWandelWanderin

p.s. letzte Nacht habe ich Wölfe heulen gehört und der Hirte im Ref. Longon hat heute Früh erzählt, dass es viele Wölfe gibt. Deshalb gibt es hier große weiße Hunde, die wie Schafe aussehen und in der Schafherde aufwachsen, um die Schafe vor den Wölfen zu schützen. [Standort]

 

21.09.2012

Liebe WeggefährtInnen,

endlich wieder Empfang :-) sitze auf einem kleinen Balkon, des Hotel Edelweiß in Auron, ein Skiort unweit von St. Etienne de Tinee, und genieße die mild wärmende Nachmittagssonne. Es geht mit großen, leichtfüßigen Schritten Richtung Süden! Mit dem Auto sind es von hier 1,5 Std. nach Nizza. Unglaublich, so nah am "Ziel" meiner Reise!!!

Fortuna geht weiterhin mit mir, ihr Füllhorn spendet reichlichen Segen. Kürzlich bin ich in Saint Etienne einem jungen französischen Mann begegnet, der die letzten 5 Tage ebenfalls am GR5 unterwegs war. Wir haben uns über die Schönheit und die Erkenntnisse des "gehenden alleine reisens" sehr angeregt auf französisch! unterhalten. Mittlerweile ist es mir sogar möglich, ein philosophisches Gespräch in dieser Sprache zu führen :-) und dieser sehr sympathische junge Mann hat mir seinen GR5 Führer "Traversee du Mercantour- Valle des Merveilles" überlassen, weil heute der letzte Tag seiner Reise ist. Das ist jenes Buch, dass ich überall gesucht und nirgendwo gefunden habe, mit Karten und Beschreibungen. Und es kam genau im richtigen Moment zu mir, genau so wie die Begegnung und das Gespräch mit Jannis (der junge Franzose, der übrigens auch bei der Bergrettung ist :-)

2 Tage zuvor war ich der einzige Gast im Gite de Larche und Bernadette, die dieses führt, hat mich nach einem sehr persönlichen Gespräch über meine Reise und ihr Leben, eingeladen ihr Gast zu sein, d.h. ich habe für die Nacht, das Frühstück und ein üppiges Jausenpaket nichts bezahlt! Ihre Tochter wird im Jan. 2013 gemeinsam mit zwei Freunden die Alpen von Wien nach Nizza mit den Skiern queren und sie selbst war, gemeinsam mit ihrem Mann, auf vielen hohen Bergen dieser Welt.

Heute Früh in Bousieyas, einem Ort mit Kirche, Gite d'etape und drei Häusern hat mir die junge Wirtin Ameli erzählt, dass ihre Eltern Hirten von 1500 Schafen sind und "Transhumanz" betreiben, d.h. auf der Suche nach Weideland ziehen sie mit ihren Schafen im Winter immer weiter südlich bis in die Provence.

Ich werde in St-Dalmas Valdeblore nun doch nicht den direkten Weg (GR5) nach Nizza gehen, sondern dem GR52 weiter durch den Nationalpark Mercantour durch das Valle des Merveilles bis nach Menton (das ist ein Ort am Meer vor Monaco und Nizza) folgen. Auch Jannis meinte, dass dieser Weg unvergleichlich schöner ist, als der direkte nach Nizza, dauert ein paar Tage länger, aber wenn das Wetter so bleibt wie es jetzt ist, dann habe ich alle Zeit der Welt :-)

Zur Zeit ist es zwar in der Früh und am Abend sehr kalt und gestern gab es den ganzen Tag einen eiskalten Nordwind, der heute Richtung Süden gedreht hat, nachdem er gestern alle Schlechtwetterwolken vertrieben hat :-) d.h. zur Zeit ist es sonnig, stabil und ein wenig frisch... David Lynch sollte mal über die Alpen gehen, dann wäre sein täglicher Wetterbericht ein wenig abwechslungsreicher als es in Kalifornien möglich ist...

Im Moment sind ein älteres französisches Ehepaar- Nicole und Serge und ein irisches Paar- Janet und Shawn und ich Richtung Meer unterwegs. Außerdem 2 Franzosen, die aber hauptsächlich campieren und wahrscheinlich schon weiter sind, als der "Rest der Bande". D.h. ich bin zwar untertags alleine unterwegs, aber am Abend und in der Früh essen wir gemeinsam und helfen uns ein wenig weiter. Serge und Nicole hatten auch kein Kartenmaterial für den Süden gefunden d.h die letzten Tage, sind wir der englischen Beschreibung von Janet und Shawn gefolgt und jetzt habe ich, dank Jannis, eine französische Beschreibung, d.h. niemand von uns kann verloren gehen :-) das ist ein super Gefühl, wenn man realisiert, wie hilfreich, unterstützend und bereichernd menschliche Gemeinschaft sein kann und dass man nicht alles "alleine im Griff zu haben braucht".

Gestern waren die Angstdämonen kurz auf Besuch, weil ich, alleine in den Bergen, einem etwas seltsamen Mann begegnet bin und ja, ich hatte tatsächlich Angst und habe mir alle möglichen Schrecklichkeiten ausgedacht und war sehr froh, als dieser Mannn zurückblieb und ich am Pass auf Nicole und Serge traf. Das war das erste Mal, seit ich unterwegs bin, dass ich mich für einen Moment nicht sicher gefühlt habe. Heute bin ich, während des Gehens und in Gedanken, diesen und anderen Ängsten nachgegangen und war erstaunt, wie viele ich in den verschiedenen Winkeln meiner Kindheit, gefunden habe. Jetzt sind sie am Dachboden, oder auch im Keller meiner Seele deponiert und schlummern vor sich hin und ich frage mich, wieviel Einfluss sie tatsächlich auf mich haben. Diese Reise hat meinen kleinen sicheren Kokon tatsächlich erweitert, nämlich durch die Erfahrung, dass meine Vorstellungen und Ängste meistens nicht viel mit der Realität zu tun haben. Heute bin ich auch meiner Angst vor der Zukunft nachgegangen, in meiner Kindheit hat in dieser die Hölle auf mich gewartet (das war die rießige Angst) und ich habe viele Dinge und Regeln erfunden (Abwehrzauber) um mich vor meinem Verderben in dieser zu schützen. Jetzt habe ich Angst vor dem Kulturbetrieb, vor den Veranstaltern, vor der MA7, vor dem Publikum (am wenigsten), also vor all jenen Instanzen, die scheinbar Macht über meine Zukunft haben.... Aber ich weiß, dass wenn ich meinem Herzen folge und Vertrauen in die Fülle des Lebens habe, mich keine Macht dieser Welt davon abhalten kann, meinen Weg zu gehen, selbst wenn er in der Hölle endet :-) dort ist's vielleicht viel lustiger als im Himmel und bestimmt anders, als ich mir das als Kind vorgestellt habe.

Wie ihr seht, begleitet mich alles mögliche bei den vielen tagtäglichen Schritten. Alle und alles geht mit. Nichts bleibt zurück.

Herzliche Grüße
eure manchmal auch ängstliche Geherin [Standort]

 

 

20.09.2012

 

19.09.2012

Auch diesmal ein kleiner Nachtrag zum letzten newsletter :-)

Liebe WeggefährtInnen,

vielen herzlichen Dank für eure zahlreichen und wie immer sehr weisen Rückmeldungen! Es geht einfach nichts über kollektive Intelligenz :-) und ihr habt einfach recht! Roland schreibt mir aus Belgien "the more one gains, the more one wants" im Hinblick auf meine Trauer über das nahe Ende meiner langen Reise. Silvia schreibt mir, ich soll nicht Nizza zum Ziel der Reise machen, sondern das Gehen selbst, und Erich empfiehlt mir, nicht an das Ende zu denken, sondern jeden Moment und jeden Schritt zu genießen, und Christina schreibt, dass ich mich und diese Reise feiern soll...

Meine melancholische Stimmung ist auch bereits wieder vorüber, dass ist ja das Positive am tagtäglichen Gehen. Es ist erstens sehr elementar und es kann sich zweitens keine Sorge oder Laune so richtig ausbreiten bzw. festkrallen, durch alles wird durchgegangen, im wahrsten Sinn des Wortes. Und bereits gestern, wo ich keinen Empfang hatte und eure hilfreichen Kommentare gar nicht lesen konnte, hat sich etwas in mir Richtung Vertrauen ausgerichtet. Vertrauen in die Fülle des Lebens und wenn ich irgend etwas auf dieser Reise tatsächlich "verstanden" habe, dann die Tatsache, dass in jedem Moment für mich und für uns alle gesorgt ist. Es ist tatsächlich mehr als genug für alle da, in jedem Moment.

Heute beim frühen Abstieg nach Larche habe ich über "gut für sich sorgen" und "in die Fülle und den Fluss des Lebens vertrauen" anstatt die Dinge nach den eigenen Vorstellungen "hinbiegen zu müssen" (eine anstrengende und selten angenehme Beschäftigung) nachgedacht. Wie schwer wir es uns oft machen, weil wir uns verbissen darum sorgen, dass die Dinge doch bitte so sein sollen, wie wir uns das vorstellen. Und wehe, es ist mal anders (und es ist immer anders!), dann ist gleich unser ganzer Seelenfrieden dahin und mit ihm die gute Laune. Gregor sprach von Dracheneiern, die man sich damit legt. Irgendwann, zu Beginn der Reise, habe ich davon gesprochen, dass ich mich darin übe mit den Dingen und Situationen, so wie sie sind und nicht wie ich sie gerne hätte, Freundschaft zu schließen, und, auch wenn mir diese "Übung" keinesfalls immer gelingt, hat sie sich als wirklich hilfreich erwiesen. Ablehnung verhindert das wirkliche Kennenlernen einer Situation oder eines Menschen und erzeugt jede Menge Schmerz. Meine Erfahrung mit diesem Weg ist, dass ich niemals verloren gehe, dass an jeder Ecke neue Möglichkeiten warten. Z.b. habe ich keine Beschreibung des GR5 für den Süden gefunden und auch kein Kartenmaterial und mir aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen keine Sorgen deswegen gemacht. Und schon habe ich gestern unterwegs ein irisches Pärchen getroffen, die ebenfalls Richtung Meer unterwegs sind, alles vorreserviert haben (also wissen, welche Hütten noch geöffnet haben), durch den Nationalpark Mercantur nach Menton gehen und nicht den kürzeren direkten Weg nach Nizza, weil angeblich der Weg durch den Nationalpark schöner ist, und sie haben einen englischen Führer über den gesamten Weg!

Heute Früh habe ich Fouillouse 1907m bei dichtem Nebel verlassen, der am Col du Vallonet 2524m immer dichter wurde und sich am Weg zum Col de Mallemort 2558m langsam gelichtet hat, worauf hin eine unglaubliche Felslandschaft sichtbar wurde. Bin einer Horde Gämsen, etlichen vollgefressenen Murmeltieren, die sich bereits Winterspeck angelegt haben, und einem Adlerpärchen begegnet. Nur der Wolf hat sich immer noch nicht blicken lassen :-) Jetzt sitze ich alleine vor dem gite d'etape in Larche und die Sonne wärmt meinen Rücken. Die Farben des Herbstes werden immer intensiver und die Wacholderbeeren fallen von den Sträuchern, wenn sie reif sind. Hab schon überlegt, wie man die ernten kann, ohne sich die Finger blutig zu stechen. Jetzt weiß ich's. Einfach warten, bis sie von selbst runterfallen :-)

Es gäbe noch so viel zu erzählen, aber das Schreiben auf dem kaputten smartphone ist eine sehr beschwerliche Angelegenheit (muss manche Buchstaben mit Gewalt reinklopfen, das macht wenig Freude).

Bitte schreibt mir lieber mails als sms. Telefonspeicher ist voll und ich möchte eure sms nicht alle löschen, die mails sind am gmx Server und ich kann sie dort abrufen. Danke!

Wünsche euch einen wunderschönen Tag und Vertrauen in die Fülle des Lebens!

eure Traumgeherin

p.s. Meinen Knien geht's wieder gut! Danke für eure diesbezügliche Anteilnahme, hat geholfen :-) [Standort]

 

 

18.09.2012

 

17.09.2012

newsletter #15

Liebe WeggefährtInnen,

seit Samstag bin ich in Frankreich!!! Von Briancon bin ich in den "Parc naturel du Queyras" gewandert und seither, am GR5 Richtung Nizza, immer noch in diesem unterwegs.

Es ist Herbst, in der Nacht wird es bereits sehr kalt, es gab bereits Frost und trotzdem ist mir heute am Weg zum Col Fromage 2301m ein Zitronenfalter begegnet. Die Landschaft hier ist unbeschreiblich schön, bin noch nie durch derart alte, weitläufige Lärchenwälder, die sich mit Föhren abwechseln, gewandert. Sehr mediteran ist es hier bereits, wunderschöne Felsformationen - Kalk, erinnern an die Dolomiten und bilden einen wunderbaren Kontrast zu dem zarten Grün der Lärchen und es duftet nach Süden!! Die Wacholderbeeren sind bereits reif und waren heute mein erstes Frühstück nach einer neuerlichen Nacht im Freien. Habe in einem kleinen Föhrenwäldchen oberhalb von Chateau-Queyras übernachtet, ein Sternenhimmel ohnegleichen, der würzig-harzige Geruch der Bäume, die Stimmen der Vögel und ein harter Boden. Völlig durchfroren habe ich in der einzig geöffneten Bar ein Croissant verdrückt und glücklich den Salbeitee, den mir Giorgio zum Abschied geschenkt hat, geschlürft. Gestärkt auf den Weg gemacht...

Das Wort "gehen" hat für mich mittlerweile ähnlich viele Bedeutungen wie für die Japaner das Wort "Schnee". Es sind bereits 4,5 Monate "vergangen" und ich habe nach wie vor keine Ahnung, wie mein Leben nach dieser Reise weiter "gehen" wird. Es geht mir gut, bedeutet, dass es sich gut geht mittlerweile.

Heute bin ich in Gedanken an alle WeggefährtInnen, die meine Reise begleitet haben - real oder in Gedanken, die mich unterstützt haben, mit ihrer Anteilnahme, mit ihrer Begeisterung, mit Trost und Aufmunterung in schwierigen Zeiten, mit Geld, in Träumen und in der Realität, heute bin ich mit jeder/jedem von euch gegangen in tiefer, tiefer Dankbarkeit. Ich habe das bereits des öfteren gesagt, aber es ist mir ein großes Bedürfnis, es nocheinmal und immer wieder zu sagen: ohne eure Liebe, Fürsorglichkeit, Unterstützung und Anteilnahme hätte ich diesen weiten Weg niemals in dieser Form gehen können. Ich habe mich, bis auf ein paar kleine Momente, niemals alleine gefühlt und noch nie in meinem Leben habe ich mich derart gut aufgehoben gefühlt, wie auf dieser Reise.

Es ist tatsächlich Realität, dass uns die Erde nicht nur trägt, sondern uns in unendlicher Fülle und Großzügigkeit mit allem Lebensnotwendigen versorgt.

Ich gehe in dem Wissen und mit der Gewissheit, dass ich nicht alleine und nicht für mich alleine gehe. Ich gehe in tiefer Verbundenheit mit dem Leben und mit allen Wesen. Und je länger ich gehe, umso tiefer wird dieses Wissen.

Habe selten soviele Abschiede erlebt, wie auf dieser Reise, aber der schwierigste kommt noch, nämlich dann, wenn diese zu Ende geht. Und das ist bald. Kann es gar nicht fassen, denn in ca. 2 Wochen werde ich voraussichtlich Nizza erreichen und ins Meer springen, egal wie kalt oder warm es sein wird. Und es klingt vielleicht seltsam, aber es ist tatsächlich so, viel zu schnell kommt dieses Ende, jeden Moment, jeden Schritt, jeden neuen Blick, jede neue Landschaft atme ich ein, als wäre es bereits der letzte Atemzug. Das Ende dieser Reise fühlt sich im Moment wie sterben an und davor hatte ich doch so große Angst vor meinem Aufbruch: vor dem Sterben.

Nichts gelernt also? Doch. Man lernt immer nur für den Moment. Und jede Erkenntnis braucht Zeit, um sich als Erfahrungswissen ins Körpergedächtnis einzuschreiben.

Noch etwas: ich bin zwei Seelenverwandten begegnet, erst kürzlich. Gemeinsam zurückgelegte Wege, können tiefe Verbundenheit schaffen. Es gibt nichts Wichtigeres als FreundInnen. Auch das ist eine Erkenntnis dieser Reise.

Mit FreundInnen geht es sich gut, ganz gleich wohin und bei welchem Wetter.

"Der Himmel ist blau." Auch wenn manchmal eine dicke Wolkenschicht dieses Blau verbirgt.

Auch hier sperren die Hütten bereits nacheinander zu. Heute hatte ich Glück, denn ab morgen ist dieses "Gite d'etape" hier in Ceillac 1639m bereits geschlossen und nach 2 Nächten unter Sternenhimmel, freue ich mich jetzt auf ein warmes, weiches :-) Bett.

Wünsche euch eine erfüllte und freudige Woche trotz und mit Alltag...

eure (noch immer gehende) Barbara

"Mögen alle Wesen glücklich und frei von Angst sein." [Standort]

 

16.09.2012

Liebe WeggefährtInnen,

nach einer trockenen, aber etwas harten Nacht im MillionenSterneHotel bin ich heute schon ziemlich zeitig aufgestanden und ohne Frühstück durch einen glasklaren, aber bereits frostigen Morgen gewandert, mit schnellem Schritt, um ein wenig Wärme in die nachtsteifen Glieder zu bringen.

Im Moment wandere ich durch den "Parc national de Mercantour", besonders den Nachmittag von Brunissard Richtung Chateau-Queyras habe ich sehr genossen. Ein kleiner Pfad, sanft am sonnengewärmten Hang verlaufend, durch ausgedehnte uralte Lärchenwälder mit Blicken in ein weites Tal und zum Monviso, der in der Ferne wie ein mächtiger Wächter in den Himmel ragt und dann als Krönung in 1854m Höhe ein kleiner, verwunschener Gebirgssee mit einem Märchenwald herum und eingerahmt von Bergen, die mich an die Dolomiten erinnert haben

Heute Früh ging es zum Col des Ayes 2477m an einem etwas unheimlichen Almdorf- Chalet des Alpes- vorbei. Begrüßt wurde ich von 2 Männern, die mein Näherkommen mit einem Fernglas beobachteten. Vor dem nächsten Haus stand ebenfalls ein rauchender und etwas grimmig dreinblickender Mann und vor dem nächsten ebenfalls ein Mann. Alle seltsam verschlossen, keine Frauen zu sehen. Richtig unheimlich. Wie in Twin Peak.

Weiter oben, kurz unterhalb des Passes, wurde es wieder freundlich. Ich fragte eine alte Frau, die eben den Boden vor ihrem Chalet fegte, ob sie mir einen Tee mit den Salbeiblättern von Giorgio kochen könne. Drinnen brannte ein schönes Holzfeuer, die kleine Enkelin- Nono hat sich gleich mit mir angefreundet und mit Oma und Mama habe ich angeregt geplaudert, auf französisch, das geht immer besser und macht richtig Spass, nach den stümperhaften italenischen Wortbrocken.

Und jetzt sitze ich hier auf einer kleinen, etwas windigen Waldlichtung und werde bald ganz in den Schlafsack schlüpfen. Im Moment gefällt es mir, draußen zu schlafen, der Wald schenkt mir viel Geborgenheit.

Wünsch euch eine friedliche Nacht mit schönen Träumen und einen fröhlichen Wochenbeginn!

Eure Barbara

p.s. Bin tatsächlich im Finale meiner Reise. Es geht zügig Richtung Nizza. Wenn alles gut geht, bin ich in gut zwei Wochen bereits am Meer :-)

Und wehmütig blicke ich diesem Ende entgegen. Wie werde ich jemals wieder ohne tägliches Gehen leben können? [Standort]

 

15.09.2012

Liebe WeggefährtInnen,

sitze am Holz-Balkon eines privaten "Almchalets", neben mir plätschert das Wasser eines Brunnens und die Kühe umkreisen mit viel Glockengebimmel mein heutiges Domizil. Giorgio, der freundliche Italiener, der mich gestern zu sich nach Hause einlud, hat mich heute Vormittag nach Oulx gebracht und von dort bin ich nach Briancon. D.h. jetzt bin ich tatsächlich in Frankreich!!!

Alles neu, alles anders hier. Viel Abenteuer auf einmal. War schwierig eine Karte und GR5 Beschreibung zu finden, war schwierig, heiß und asphaltig um aus der Stadt rauszufinden, aber ich bin am "richtigen" Weg, das schöne Almgebäude hier nennt sich "le Lauzin" und ich überlege, ob ich hierbleiben soll (etwas hart mit meiner dünnen Matte, aber trocken und vor Kühen geschützt :-) oder noch ein Stück weitergehen?

Immer wieder gab und gibt es auf meiner Reise diese Momente des Übergangs, der Verunsicherung und Neuorientierung, aber aus Erfahrung weiß ich, dass diese keinen Grund zur Besorgnis darstellen, braucht ein wenig Zeit, dann wird es wieder vertraut...

Alles neu und wieder ganz alleine auf mich gestellt, auch das ein klein wenig gewöhnungsbedürftig, besonders nach den letzten Tagen des intensiven und beglückenden Gemeinschaftserleben mit Frank und Ralf, die ich wirklich vermisse (nicht nur weil sie für's biwackieren besser ausgerüstet waren, als ich es bin :-)

Aber das Wetter ist fantastisch, also kann ich eine Nacht im Freien riskieren, hoffentlich ohne zu frieren. Wenn die Sonne weg ist, wird es mittlerweile schon ziemlich kalt. Deshalb verabschiede ich mich jetzt und wünsche euch ein erholsames Wochenende!

Sobald ich wieder in der "Zivilisation" bin, schicke ich euch ein paar Fotos der letzten Tage. Schwacher Empfang hier...

Alles Liebe
Barbara [Standort]

 

14.09.2012

Liebe WeggefährtInnen,

weiß gar nicht mehr, wann ihr dass letzte Mal ein Lebenszeichen von mir erhalten habt, denn ich hatte die vergangenen Tage überhaupt kein Netz. Hier also ein kurzes update des Weges:

Montag Früh ging es von Pialpetta nach Balme, wo auf einer Alm 2 Männer mit den Kühen tanzten. Sie hatten unterhalb des Colle di Trione biwakiert und einige der Kühe waren mehr als neugierig. Ich ging amüsiert aber unauffällig an Ihnen vorbei, den Weg und meine "Einsamkeit" geniesend. Am Colle di Trione fand ich einen kleinen Gipfel und hielt dort ausgiebig Siesta mit Blicken zur Levanna und zum Gran Paradiso. Am Pass traf ich auf jene zwei Männer, die am Morgen mit den Kühen getanzt hatten. Wir grüßten uns kurz und schon war ich auf und davon, den Berg hinunter, denn oh Schreck, schon wieder zwei Deutsche :-)

Im neueröffneten Posto Tapa in Balme haben wir uns zum Abendessen wieder getroffen und nachdem es in dieser Situation kein Entkommen vor einander gab (wir waren alle hungrig) haben wir uns kennen- und kurze Zeit darauf bereits lieben gelernt. Ja so ist das mit den Vorurteilen und vorgefassten Meinungen, wie oft verhindern sie Begegnungen, die sich nachträglich als Geschenk entpuppen. Noch nie auf meiner Reise hatte ich soviel Spass und Leuchtigkeit, wie mit diesen beiden "Deutschen" - Ralf und Frank. Wir sind von Balme gemeinsam nach Usseglio aufgebrochen, haben uns im legendären Albergio Rocciamelone einen Belohnungsdrink für den langen Abstieg gegönnt und sind dann gemeinsam zum Rifugio Vulpot und von dort vorgestern nach Il Trucco, um den Rocciamelone (mit 3538m der höchste Wallfahrtsberg) herum, weil leider das Wetter für einen ersten Zwischengipfelanstieg nicht ganz mitgespielt hat.

Wir hatten einen wunderbaren Abend im Ref. Il Truc, wo uns Caterina mit wunderbarem Essen und großer Herzlichkeit verwöhnt hat. Dermaßen gestärkt und dank Ralfs ungebrochenem Optimismus und Franks Wettererkundigungen, haben wir gestern den Gipfelanstieg zum Rocciamelone gewagt und wurden mit herrlicher Fernsicht und wunderbarem Bergerleben belohnt. Die zurückgelegten und erfolgreich bewältigten Höhenmeter (1900 rauf und 2000 runter) von Il Truco und retour (an einem Tag) haben wir gestern Abend in ausgelassener und fröhlicher Stimmung gemeinsam mit Catarina, Roland aus Belgien (er war gestern ebenfalls auf dem Rocciamelone), Michelle und Cornelia, gefeiert.

Heute ging's dann gemeinsam mit Ralf, Frank und Roland nach Susa hinunter. Ein Weg des Abschieds, den wir mit einem Mittagspicknik auf einer kleinen Waldlichtung zelebriert haben. Es gab ein üppiges Abschiedsmahl mit Vorspeise (Vollkornbrot, Kaminwurzen und Käse), frisch zubereiteteten Parasol (am Weg gefunden) Suppe, und Tortellini (alles Zutaten, die Frank und Ralf, die letzten Tage in großen, schweren Rucksäcken mitgeschleppt hatten. Ein paar Tage davor, hatten wir bereits zu Mittag unterhalb des Passes ein kleines Gläschen Rotwein :-) was den im Rother Wanderführer als sehr schwierig beschriebenen Abstieg fast zu einem Kinderspiel machte...

Jetzt bin ich in Salbertrand am Weg nach Frankreich/Briancon. Roland fährt morgen mit dem Bus nach Belgien, Frank und Ralf sind jetzt in Torino am Campingplatz, um endlich ihre letzten Essensreserven zu verkochen und eine Freundin, die in Italien lebt zu treffen und dann geht es auch für die beiden heimwärts. Zuerst müssen sie noch ihr Auto in Pialpetta abholen, dann geht es nach Berlin und Düsseldorf und am Montag beginnt bereits wieder ihr Arbeitsalltag.

Nur ich gehe weiter und übe mich weiterhin in Abschieden, diesmal mit einem vertrauensvollen und zuversichtlichen Blick in die Zukunft, denn die mit Ralf und Frank geteilten Wege waren voller freundlicher und freundschaftlicher Zuneigung und Momenten der Fülle, Leichtigkeit und Lebens/Freude. Neben wunderbaren in die Tiefe gehenden Gesprächen.

Ich nehme ein wärmendes Gefühl von Freundschaft und Zugehörigkeit mit auf den Weg und einmal mehr die Gewissheit, dass tiefe Verbundenheit mit anderen Menschen jederzeit möglich ist, wenn eine wie ich mit ihren vielen Vorurteilen, nicht die Flucht ergreift, bevor eine Begegnung möglich war :-)

Am Bahnhof in Busseleno habe ich herausgefunden, dass es heute keinen Bus nach Briason mehr gibt. Ein älterer, freundlicher Italenier hat mein Dilemma mitbekommen und mir angeboten, bei ihm zu Hause in Salbertrand zu übernachten. Seine Frau bereitet eben das Abendessen zu und der kleine Hund hat sich bereits an meine unvorhergesehene Anwesenheit gewöhnt.

Das Leben ist ein Fluss und wir können uns diesem wirklich anvertrauen.

In Susa, am Ende ihrer Reise, haben Frank und Ralf ihre Holzwanderstöcke dem Fluss anvertraut.

Nichts woran wir uns festhalten könnten. Alles kommt und geht wieder. In Fülle.

P.S. Erstaunlicherweise geht's meinen Knien wieder wie neu. Freude und Freunde scheint zu beflügeln, macht alles um vieles leichter. Danke. [Standort]

 

13.09.2012

 

12.09.2012

 

11.09.2012

 

10.09.2012

Anstrengend, aber wunderwunderschön war die heutige Wanderung von Pialpetta 1054m zum Colle de Trione 2485m. Insgesamt waren das 1670hm im Auf- und 1230hm im Abstieg. Und alle, die heute auf diesem Weg unterwegs waren (außer Roland mit GPS) haben sich verirrt, auch ich :-) d.h. ich habe eine freiwillige Verirrung und eine unfreiwillige zurückgelegt, denn ich übe querfeldein und eigene Wege gehen, macht richtig Spass, wenn's nicht zuviel wird...

Getroffen haben wir uns in Balme, wo wir alle ziemlich müde in einem neuen Posto tappa (eine alte Villa, liebevoll restauriert) gelandet sind und ein köstliches Abendessen genossen haben. Eine kleines Grüppchen von sechs WanderInnen hat sich heute Abend hier eingefunden und wir hatten nicht nur gutes gemeinschaftliches Essen, sondern auch eine entspannte Atmosphäre mit inspirierenden Gesprächen. Schön war das! Und jetzt muss ich ganz schnell schlafen, morgen wartet ein steiler Abstieg auf mich, wird spannend, was meine Knie dazu sagen...

Gute Nacht!
Barbara [Standort]

 

09.09.2012

newsletter #14

Liebe WeggefährtInnen,

hatte gar nicht vor euch einen Brief zu schreiben, aber jetzt ist mein täglicher Eintrag etwas ausführlicher als sonst geworden, außerdem ist heute Sonntag, der 9.9.2012 (schönes Datum) und ich bin 4 Monate und 5 Tage unterwegs und habe heute ganz viel an viele von euch gedacht und gemerkt, wie sehr ich euch alle lieb habe :-), und deshalb gibt's jetzt einen Brief von mir, der gar nicht als solcher geplant war...

Früher Aufbruch lohnt sich. Erstens ist es in der Früh noch schön kühl (seit ein paar Tagen ist die Sonne und damit auch die Hitze zurückgekehrt), die Kräfte sind frisch und unverbraucht (zumindest bei mir ist das am frühen Morgen so) und, falls ein Gewitter kommen sollte, ist man längst wieder herunten vom Berg oder Pass. Ich war heute Früh jedenfalls sehr froh, das kalte und feuchte Ref. Fonti Minerali so schnell wie möglich zu verlassen, und bin die 1170hm mit großer Leichtigkeit und Freude zum Colle della Crocetta 2641m hochgestiegen mit fantastischen Blicken zur Gran Paradiso Gruppe und zu den Gipfeln der Levanna. (Auch das ein Vorteil eines frühen Aufbruchs, in der Früh war die Sicht noch gut und bereits gegen Mittag hat es weiter oben wieder zugezogen.) Hat richtig gut getan, nach den Tagen der Alm- und verlassenen Gebirgsdörferwanderungen endlich wieder ein wenig "Höhenluft und Weite" zu atmen.

Dafür nehme ich dann auch einen Abstieg von 1610hm in Kauf. Während des Aufstiegs bin ich ein paar "Sonntagshirten" begegnet, die ihre Kühe mit Rucksack und Salz oben auf der Alm besucht haben. Auch einem italenischen Wanderer mit Hund, der mir erzählt hat, dass er Gämse beobachten geht. Als ich ihm erzählt habe, dass ich bereits seit mehr als 4 Monaten zu Fuss über die Alpen von Wien nach Nizza unterwegs bin, bekam er ganz strahlende Augen und hat mir einen warmen, festen Händedruck gegeben und "complimenti" gesagt. Diese Fähigkeit zur unverblümten Mitfreude, Anteilnahme und geteilter Begeisterung begegnet mir ganz besonders bei den italenischen Wanderern immer wieder, und diese kurzen Begegnungen schenken mir sehr viel herzerfrischende Kraft.

Der Weg heute Früh war überhaupt sehr besonders. Seit ich wieder alleine unterwegs bin, ist es auch einfacher, meine Zwie- und Selbstgespräche zu führen. Es klingt vielleicht ein wenig eigenartig, aber das Gehen wird für mich immer mehr zu einem "Gebet" der All-Verbundenheit. Es ist dieses in die Stille und in der Stille Gehen, ein ganz besonderer Zustand. Schritt für Schritt. Einfach nur das und nichts sonst. Dazu dann immer wieder die Blicke zu den schneebedeckten Bergen mit fantastischen Lichtstimmungen (das Licht ist am Morgen auch ganz besonders). Wie werde ich je wieder in der Stadt leben können? Heute ging mir so durch den Kopf, dass ich nach meiner Rückkehr vielleicht eine Zeitlang ins buddhistische Kloster zu Pema Chödrön gehen/sitzen möchte. Sie ist eine meiner Lieblings"lehrerinnen" in Sachen angewandter Lebensweisheit. Sie leitet ein Kloster in Gampo Abbey an der Nordwestküste Kanadas und es gibt dort die Möglichkeit, in eine Form von schweigendem Rückzug zu gehen. Man bewohnt dafür eine Hütte im Wald und hat mit niemanden Kontakt. In dieser Zeit würde ich gerne das Buch über die Zeit des Gehens über die Alpen schreiben und sitzen-meditieren.

Fessi hat mir das irgendwann geschrieben, dass wir die Kunst des "Verweilens" verlernt haben. Heute habe ich auch über den Kunstkontext nachgedacht und über den Zynismus, dem ich in diesem immer wieder begegnet bin und wie sehr mich das über die Jahre verletzt und gekränkt hat. Der Kunst das Recht abzusprechen, die Frage nach dem Sinn zu stellen. Es ist unser Geburtsrecht, ein sinnerfülltes Leben zu leben, und wir sind so vergiftet von "funktionieren und beweisen müssen". Es ist auch unser Recht, die Erde zu lieben, denn wir sind unleugbar ein Teil von ihr. Wenn wir sie ausbeuten, beuten wir uns in Wirklichkeit selbst aus. So wie wir mit uns selbst umgehen, spiegelt sich in unserem Umgang mit der Erde.

Gerald Hütter schreibt in seinem Herbstnewsletter darüber, dass alte Gewohnheiten und Überzeugungen sich nur dann ändern können, wenn wir neue Erfahrungen machen (weil dadurch neue Bahnen im Gehirn und Nervensystem gelegt werden). Deshalb ist Kunst als Raum für andere Erfahrungen, als jene die uns angeboten werden, so wichtig, und deshalb ist es zynisch, wenn Kunst als Teil des kapitalistischen Marktes versucht, eben dort mitzuhalten. Unsere Seele, unsere Körper, unser Herz sind keine Ware und wir sind zwar käuflich, aber der Preis, den wir dafür bezahlen, ist hoch.

Deshalb hasse ich Wörter wie "deadline" und "Format". Ich mag diese Sprache nicht, weil sie mir Angst und Albträume macht, und ich möchte gerne frei sein im Kopf, damit andere neue Gedanken kommen dürfen, die neue Wege gehen als jene Autobahnen, die wir uns geschaffen haben, um überall ganz schnell sein zu können und dann doch die meiste Zeit vor dem Computer oder Handy :-) zu verbringen.

Hatte gar nicht vor euch so ein langes mail zu schreiben (Vorteil eines frühen Aufbruchs, man ist früher am Zielort und kann sich alles von der Seele schreiben :-)

Den zweiten Schreckmoment habe ich euch gestern aufgrund großer Müdigkeit, vorenthalten: am Weg von Noasca nach Ceresole Reale bin ich einer 2m langen Schlange begegnet. Genau so wie das Wildschwein, am Tag zuvor, lag sie mitten am Weg und hat sich in der warmen Mittagssonne ein wenig gewärmt. Da komm ich dahergestiefelt und ich weiß nicht, wer von uns beiden mehr erschrocken ist, jedenfalls hat sie sich hoch aufgerichtet und mich entzürnt angezüngelt, um sich dann mit einer unglaublichen Geschwindigkeit (genauso wie das Wildschwein am Tag zuvor) links die Böschung runterzuschlängeln und weg war sie. Hat mir keine Zeit gelassen, sie zu fotografieren. Wunderschön war sie, gelb an den Seiten und ein Kreuzmuster am Rücken, keine Ahnung was für eine Schlange das war.

Die nächsten Tage geht's durch die Lanzotäler nach Susa und jetzt bin ich in einem kleinen Ort namens Pialpetta im Albergo Setugrino.

Immer wieder schreiben mir manche von euch, dass sie sich über das Lebenszeichen von mir freuen, weil sie schon solange nichts mehr von mir gehört haben. Ich gebe auf meiner Homepage nach Möglichkeit jeden Tag meinen Standort bekannt und schreibe auch ein wenig dazu, manchmal schick ich auch Fotos an fishy, der dann alles reinstellt. D.h. ihr habt jederzeit die Möglichkeit meine Wege zu "verfolgen", wenn euch das ein Bedürfnis ist, und müsst nicht auf den nächsten newsletter warten. Einfach www.barbarakraus.at in den Computer tippen, "dream and walk about" anklicken und schon seht ihr, dass ich noch am Leben bin. Trotz Wildschwein und Schlange. Bär und Wolf haben mich bisher verschont, hat sich vielleicht schon herumgesprochen, dass ich doch nicht ganz so mutig bin, wie ich gedacht habe.

Wünsche euch einen feinen Sonntag Abend und einen guten Wochenbeginn!

Alles Liebe
eure Barbara [Standort]

 

08.09.2012

Liebe WeggefährtInnen,

hab mich gestern nicht mehr gemeldet, weil ich nach einem mehr als üppigen und überaus köstlichem Abendessen im Albergo Gran Paradiso zu gar nichts mehr fähig war, außer ins Bett zu fallen und zu schlafen. Darüber hinaus hatte ich aufgrund der 2 kurzen Nächte davor (Text schreiben für's Programmheft Tqw/Performance im Dez), bereits ein enormes Schlafdefezit angesammelt und wohl deshalb auch so gut geschlafen, wie schon lange nicht mehr. Das beruhigende Rauschen des Flusses- Torrente Orco, mag ein übriges beigetragen haben. Dieser Fluss begleitet mich schon seit 2 Tagen, auch heute fließt er unmittelbar am Refugio Fonti Minerali (mein heutiges Nachtquartier) in Ceresole Reale, vorbei. Das Refugio liegt gleich unterhalb der Staumauer des Lago Ceresole Reale, vielleicht ist es deshalb hier so klamm und feuchtkalt. War darüber hinaus alleine in einem schlauchartigen Stockbettenmassenlager ohne Fenster, einquartiert und hab durch Zufall ein kleineres, wesentlich gemütlicheres Zimmer mit Fenster und Entfeuchter entdeckt und durfte auf Nachfrage in dieses übersiedeln, worüber ich echt froh bin.

Im Moment sitze ich auf der Dachterrasse des Hauses, neben mir rauscht der Fluss, die Berge des Gran Paradiso Nationalparks haben sich in eine Schicht aus Nebel, Wolken und Dunst gehüllt und ich bin ganz zufrieden mit dem heutigen Tag, der mich einmal mehr auf alten Maultierpfaden durch zerfallende kleine Gebirgsdörfer geführt hat. Unter anderem nach Cappelle, wo die Großmutter (nonna) jenes Mannes, der mich gestern mit dem Auto von Pont Canavese nach San Lorenzo gebracht hat, gelebt hat und wahrscheinlich auch gestorben ist. Diese Fahrt war wieder mal einer meiner "Fortuna" Momente, denn der Bus fuhr erst viel später und dann wäre es für die gestrige Tagesetappe nach Noasca ein wenig knapp geworden.

Auf Anraten von Wolfgang, der bereits vor 20 Jahren den gesamten GTA gegangen ist und mein Knie- und Zeitproblem mitbekommen hat, habe ich 2 Tagesetappen ab Piamprato/Ronco bis San Lorenzo übersprungen, worüber ich nachträglich sehr froh war, weil ich gestern Roland aus Belgien getroffen habe, der erzählte, dass der Abstieg ein Fiasko war: steil, lang, Weg in katastrophalem Zustand, schlecht markiert. Also alle Widrigkeiten auf einmal. Als Draufgabe ist die einzige Unterkunft in San Laurenzo, das Albergo degli Amici, seit heuer geschlossen, weil dessen Betreiber in Pension gegangen sind.

Das hat mir der Bauer aus Rosone, der mich gestern mit dem Auto zu meinem Ausgangspunkt nach San Lorenzo gebracht hat, erzählt.

Wie auch immer, ich war freundlich zu mir und meinen Knien und beides hat mir gut getan, wenngleich mir diese Entscheidung nicht leicht gefallen ist. Andererseits habe ich bereis so unglaublich viele Täler durchquert und Pässe überschritten, dass es auf zwei fehlende jetzt auch nicht ankommt. Und meinem Knie geht es mit jedem Tag besser. Ab morgen kommen ohnehin zwei lange und heftige Touren auf mich zu und der Rocciamelone, mit 3538m der höchste Wallfahrtsberg Europas, würde mich reizen, wenn das Wetter und die Knie mitspielen (ist eine 2 Tagestour).

Schreckmomente. Gestern bin ich völlig alleine durch eine von bizarren Felsformationen zerklüftete, wilde und einsame Landschaft gewandert, der Weg gesäumt von Brombeerhecken und Haselnusshainen, ich ganz in Gedanken versunken, biege um's Eck und plötzlich steht eine fette, große Wildsau vor mir, mitten auf dem ohnehin sehr schmalen Weg. Mir ist vor Schreck nichts besseres eingefallen, als laut mit den Stöcken zu klappern, was wiederum das Wildschwein so erschreckt hat, dass es sich Hals über Kopf die Böschung runter gestürzt hat und schon war es verschwunden im tiefen Wald. Mit etwas weichen Knien und klopfendem Herz bin ich ein paar Schritte weitergegangen, als es plötzlich rechts von mir nicht nur geraschelt, sondern ganz aufgeregt gegrunzt hat. Das waren wohl die lieben kleinen Wildschweinbabys jener Sau, die ich eben erfolgreich verjagt hatte und die vor lauter Schreck ganz auf ihre Bambinis vergaß. Mein Glück! Die nächsten 10 Minuten war ich sehr schnell. Gran Paradiso ist nämlich ehemaliges königliches Jagdgebiet, deshalb gibt es hier nicht nur Steinböcke, sondern eben auch Wildschweine. Am Abend gab es ironischerweise Tortellini mit Wildschweinfülle. Und ich habe sie mit Genuss verzehrt :-)

Jetzt ist wieder Abendessen, deshalb erzähle ich euch den zweiten Schreckmoment danach (falls ich vor Müdigkeit nicht wieder ins Bett kippe)

Herzliche Grüße
eure "mutige" Barbara [Standort]

 

Fragt sich nur wozu?

denn so ist der Weg doch viel schöner...

 

07.09.2012

Fortuna und Schreckmomente

Ihr Lieben,

bin in Noasca. Habe 2 Tagesetappen des GTA "übersprungen". Warum erzähl ich euch später. Jedenfalls hatte ich einen wunderbaren Tag und eine wunderschöne Wanderung von San Lorenzo nach Noasca im Valle dell'Orco di Locana. Bin im Albergo Gran Paradiso einquartiert und gleich gibt's Abendessen. Alles weitere danach, Mörderhunger! [Standort]

 

06.09.2012

Liebe WeggefährtInnen,

hatte heute Programmheftabgabe für die Performance im Dezember im Tanzquartier Wien. Deshalb meine späte Standortbekanntgabe. Bin seit 4:00 wach und am texten, dazwischen lag ein langer wunderschöner Weg von Fondo dem Torrente (Fluss) Chiusella entlang, vorbei an alten Steinhäusern und einem kleinen verschlafenen Ort namens Tallorno ging's dann langsam immer steiler werdend an etlichen Almen (zum Teil noch bewirtschaftet) zur Bochetta delle Oche 2415m hoch. Eine Bekannte hat mir heute in Bezug auf die Schmerzen in meinem Knie geschrieben "Geh Dein eigenes Tempo". Zur Zeit gehe ich bergauf zügig und bergab sehr langsam mit kleinen Pausen. So geht's ganz gut. Hier sind die Heidelbeeren noch nicht vorbei, was mich sehr freut. Der Abstieg war steil und recht rutschig und ich war bis jetzt (Mitternacht) mit dem Programmhefttext beschäftigt. Ganz müde bin ich...

Gute Nacht!

"Mögen alle Wesen frei von Angst und glücklich sein." [Standort]

 

05.09.2012

Liebe WeggefährtInnen,

das Wasser und die Flüsse begleiten meine Wege. Wie werde ich ohne diesem permanenten Rauschen jemals wieder einschlafen können?

Bin an einem Ort wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, im Val Chiusella mit gleichnamigen Fluss, der Ort nennt sich Fondo 1074m und hat als Attraktion eine imposante mittelalterliche Bogenbrücke zu bieten, direkt daneben befindet sich die einzige Trattoria, die sich stimmigerweise "Trattoria del Ponte" nennt und das bisher grindigste Quartier anbietet. Bin in einem alten Steinhaus neben dem Haupthaus einquartiert und habe als erstes das Bad geputzt, ist ein bisschen so, als würde man die Uroma besuchen, die es nicht mehr schafft ihren Haushalt zu führen. Aber die Vermieter, ein älteres Ehepaar, sind sehr freundlich und das Rauschen des Flusses wird mich in die Welt der Träume führen, dort wo es vielleicht ganz gemütlich und heimelig sein wird.

Im Verlauf des heutigen Tages ist das Wetter jedenfalls immer freundlicher und sonniger geworden und die 850hm Aufstieg waren ein Kinderspiel. Mehr gefürchtet habe ich mich vor den angekündigten 1170hm Abstieg, aber schön langsam und mit einigen Pausen, haben meine Knie auch diese Hürde genommen.

Das Val Chiusella ist ein Teil des Aostatales. Maria, die Sennerin auf der Alpe Chiaromont hat Tee für mich gekocht und ebenfalls über das Wetter und ihre wehen Knie geklagt. Ab dem wunderschön gelegenen Weiler Cappia ging's auf einem wunderschönen Höhenweg ganz gemütlich nach Succinto, wieder einer dieser Orte, wo die Zeit stehengeblieben zu sein scheint und immer wieder Erinnerungen an meine frühe Kindheit im Dunkelsteinerwald wachgerufen werden. Aber es fehlen die Menschen, die in diesen Orten leben und ihrem Leben nachgehen. Immerhin haben die Hirten heute ihre Schafe und Ziegen Richtung Tal getrieben, über jedes dieser Lebenszeichen freue ich mich. Der junge Bauer auf der Alpe Capanne, wo ich letzte Nacht übernachtet habe, stellt ebenfalls noch eigenen Käse und Butter her und hat sich über den wilden Thymian, den ich gesammelt hatte, um daraus Tee zu machen, richtig gefreut.

Ich stehe auf der Brücke, weil das der einzige Ort ist, wo es Empfang gibt, unter mir rauscht der Fluss, Aku vom handy ist fast leer, deshalb verabschiede ich mich jetzt von euch mit herzlichen Grüßen!

Barbara [Standort]

 

 

04.09.2012

Nach der aufbauenden Begegnung mit Edoardo, dem "Calzolaio" (Schuster) und der sehr bemühten Dame im physikalischen Institut (sie wollte kein Geld für die Laserbehandlung und Edoardo hat für die Rundumerneuerung meiner Schuhe, mit der er mehr als eine Stunde beschäftigt war, €10.- "verlangt") bin ich völlig entspannt und aufgebaut, die Hauptstraße von Pont Saint-Martin entlang spaziert auf der Suche nach einer Bushaltestelle. Ein kleines Auto bog um's Eck, in jene Richtung, wo mir eine Passantin zuvor erklärt hatte, dass es nach Quincinetto geht. Auf meine Frage, ob er nach Quincinetto oder in diese Richtung fährt, hat mich ein freundlicher Mann in sein Auto gebeten und wie sich kurze Zeit danach herausstelllte, war er gar nicht in diese Richtung unterwegs, sondern hat mich freundlicherweise einfach dorthin geführt... immer wieder auf's Neue bin ich von der unglaublichen Hilfsbereitschaft der Menschen, auf den vielen Wegen meiner Reise, mehr als sprachlos.

In jedem Fall haben alle drei Begegnungen dazu beigetragen, dass ich den Anstieg von Quicinetto 295m (der tiefste Punkt entlang des Westalpenbogens, abgesehen vom Endpunkt beim Mittelmeer) bis hinauf zu den Almen von Scalare und meinem heutigen Quartier "Le Capanne" 1400m (einem "Agrioturismo"- Bauernhof mit Zimmern und hofeigener Verpflegung, mmhhh) mit neuer Kraft und Zuversicht angehen konnte. Es gibt nichts aufbauenderes als menschliche Anteilnahme und Zuwendung, die von Herzen kommt. Und auf dieser Reise scheint mich ein unsichtbarer Engel zu begleiten, der oder die ihr Füllhorn oder ihre schützenden Flügel über mich ausbreitet. Diese Erfahrung/en schenken mir ein ganz grundsätzliches Vertrauen in die Fülle und den Fluss des Lebens. Und dafür bin ich sehr dankbar, auch wenn es zwischendurch anstrengend ist, oder so wie die letzten Wochen, ein wenig schmerzhaft.

Habe mich heute entschieden, doch noch am GTA zu bleiben, zumindest bis Susa und dann weiter zu schauen. Ein Freund hat mir, kurz nach dem ich diese Entscheidung getroffen habe, vom GR5 abgeraten, weil dieser eine "Autobahn" sei. Vielleicht Ende September auch nicht mehr. Am GTA ist es mittlerweile nicht nur Herbst und kurzfristig Winter, sondern auch sehr ruhig geworden und jetzt muss ich ganz schnell schlafen, bin zum umfallen müde.
Gute Nacht!

"Mögen alle Wesen glücklich sein!" [Standort]

 

Nachtrag zum newsletter #13

Das ist Edoardo, der Schuster von Pont S. Martin. Er hat sich über eine Stunde Zeit für meine mitgenommenen Schuhe genommen und währendessen mit mir geplaudert. Mit einer unglaublichen Sorgfalt hat er die aufgehenden, seitlichen Nähte geklebt und auf die alten, vom Regen aufgeweichten Einlagesohlen eine neue Schicht weiches Kalbsleder geklebt. Am Schluss hat er die Schuhe in 2 Durchgängen mit Bienenwachs und Bürste imprägniert und mich zur örtlichen Physiotherapeutin gebracht. Die Schuhe sind wie neu, mit dem Knie wird es wahrscheinlich ein wenig länger als eine Stunde dauern :-) Die Physiotherapeutin meinte, wenn ich sie richtig verstanden habe, dass die "Ligamenti inflatione" sind, Entzündung der Sehnen und dass das kein Wunder sei, nach 4 Monaten auf und ab. Jetzt habe ich eine Laserbehandlung bekommen, weil es hier leider keine Reflexzonentherapeutin gibt. Könnte mich auch noch nach einer Osteopathin erkundigen, aber die gibt's wahrscheinlich noch weniger :-) wie auch immer, sie hat auch noch gemeint, ich solle doch eine Pause machen...

Habe mir heute bereits eine Busfahrt nach Pont Saint-Martin "gegönnt" und werde mich entweder heute oder morgen in Quincinetto wieder auf den Weg machen, dich noch am GTA bleiben, die nächsten 10 Tage bis Susa und dann von dort nach Frankreich auf den GR5 wechseln.

Bin jetzt wieder alleine unterwegs. Detlef fährt morgen von Aosta zurück nach Berlin, Wolfgang ist bereits gestern im Nebel verschwunden und eigene Wege gegangen und Jean-Paul folgt dem blauen Via Alpina und wird demnächst in die Bretagne zurückkehren.

Angeblich soll's ab morgen wieder schön werden, dann kehrt vielleicht auch mein Mut wieder zurück.

So, dass war jetzt ein kleiner Zwischenbericht zu meiner momentanen Situation. Hoffe, dass Mittelmeertief verschont euch.

Herzliche Grüße
Barbara

 

03.09.2012

Bin echt erledigt. Wir haben heute den Übergang nach Grassoney über den Valldobbiapass 2480m vom Val Vogna ins Aostatal auf dem blauen Via Alpina, zwar geschafft (bis zum Pass sogar trocken geblieben) aber den Abstieg haben wir einmal mehr im Nebel und Regen zurückgelegt. Die Kälte und Nässe tut nicht nur meinen Schuhen weh (die werden seit Tagen gar nicht mehr trocken) sondern auch meinem bereits ohnehin mehr als mitgenommenen Knie, auch nicht besonders gut. Der heutige Abstieg war darüber hinaus lang, steil und rutschig. Wir haben völlig durchnässt und durchgefroren glücklicherweise gleich ein sehr komfortables Hotel, mit dem klingenden Namen Lyshaus gefunden. Im Moment schaffe ich nicht mal mehr die Stufen hinunter. Bin etwas verzagt und frage mich, wie's abgesehen vom Wetter, dass ich ohnehin nicht ändern kann, weitergehen wird.

Jetzt mal schlafen...

Gute Nacht!
Barbara [Standort]

 

newsletter #13

Liebe WeggefährtInnen,

sitze gemeinsam mit Detlef, Wolfgang und Jean-Paul im legendären Ospizio Sottile am Passo Valdobbia 2480m. Bevor dieses Refugio gebaut wurde, gab es auf diesem Passübergang vom Val Vogna ins Aostatal jede Menge Tote - Lawinen, verirrt in Nebel, Kälte und Schnee. Margherita von Savoyen, eine der populärsten Königinnen Italiens, ließ hier in der kleinen Kapelle im August 1890 eine Messe lesen.

Wintereinbruch in den italenischen Westalpen. 2 Tage haben wir vergeblich versucht durch das "schwarze Tal" (Val Vogna) über den Pass Maccagna 2495m zum Ref. Rivetti zu kommen. Gestern mussten wir erneut umkehren, weil in Passnähe ein halber Meter Neuschnee lag, kein Weg mehr weit und breit zu finden und auf der anderen Seite gings steil bergab. 9 Stunden Gehzeit und keinen Schritt weitergekommen! Am Tag davor hat uns Starkregen, Schneefall und dichter Nebel zur Umkehr gezwungen. D.h. ich habe 3 Nächte im Refugio Sant'Antonio bei Silvano und Silvana Ferraris verbracht und dort auch das schöne Buch "Die letzten löschen das Feuer - Briefe und Bilder aus den Bergen des Piemont" von Eberhard Neubronner, entdeckt.

Dieser hat mehr als ein halbes Jahr im Val Vogna in genau jenem Refugio von Silviano und Silvana verbracht, wo ich in einer Art Endlosschleife die letzten 3 Tage immer wieder gelandet bin. Nicht ohne Grund, denke ich, denn so hatte ich die Möglichkeit, mich ein wenig eingehender mit der bäuerlichen Kultur der Walser, die hier immerhin 800 Jahre mit und von der Erde gelebt haben und in unglaublicher Handarbeit Terassen angelegt haben für Gemüse - und Roggenanbau, Wege aus Steinstufen von Trockenmauern eingefasst, Wasserleitungen und eben auch diese wunderbaren Holzhäuser gebaut haben. Jedes dieser Häuser war eine landwirtschaftliche Produktionsstätte mit einer gemeinschaftlich genutzten Backstube, einer Käserei, einer Spinn- und Webstube, Tischlerwerkstatt und Balkonen rund um's Haus auf dessen Querstangen das Heu, die Kräuter und der Roggen getrocknet wurde.

Die einzelnen Weiler waren durch kunstvoll angelegte Wege miteinander verbunden und in jedem gab und gibt es einen Brunnen. Dieses bäuerliche Leben existiert nicht mehr. Von den "Alteingesessenen" im Val Vogna leben genau noch 10. Ohne die Herberge von Silvano hätte das Tal überhaupt keinen Lebensmittelpunkt mehr und die Natur überwuchert die jahrhundertelange Arbeit von Menschen, die Wege zwischen den Steinmauern wachsen zu, so wie heute am Pass zum Valldobia, wo die Menschen eine kleine Kapelle errichtet haben, die der "Madonna della Neve" (Schneemadonna) gewidmet ist und aus dem Jahr 1679 stammt.

Hier heroben war es heute mit dem Schnee besser als gestern, weil der Pass südlich liegt. Wir haben uns entschieden auf dem blauen Via Alpina Richtung Gressoney im Aostatal zu gehen, aber jetzt sitzen wir hier neuerlich fest. Mittelmeertief: Nebel, Sturm, Kälte und schon wieder Regen. Aber zumindest ist es drinnen warm und trocken...

Am Grande Traversata sperren die Schutzhütten bereits am 15. September zu, d.h. ich werde versuchen vom Aostatal nach Frankreich zu kommen und dann dem GR5 folgen, dieser verläuft ziemlich direkt vom Norden nach Süden und endet direkt in Nizza. Die Hütten in Frankreich sperren erst Ende September zu und laut Detlef, könnte ich das tatsächlich in einem Monat schaffen. Im Gegensatz zum GTA bleibt der GR5 auch mehr oben.

Draußen pfeift der Sturm, die Fensterläden klappern im Wind und der Regen prasselt an die Scheiben. Den Grand Paradiso hat der Nebel verschluckt, alles das macht es drinnen umso gemütlicher. Leider ist das Schreiben am smartphone nach wie vor eine etwas beschwerliche und mühselige Angelegenheit. Meinem Knie ging's bereits ein wenig besser, seit der gestrigen Monstertour tut's wieder ziemlich weh, aber so kurz vorm Ziel (gemessen an der Zeit, die ich bereits unterwegs bin, morgen sind's 4 Monate) denke ich keinesfalls an's aufgeben, wenngleich ich gestern so frustriert und müde war, wie schon lange nicht mehr. Bin froh, dass ich zur Zeit nicht alleine unterwegs bin, dass alles lässt sich gemeinschaftlich leichter durchhalten, als alleine.

Die heißgeliebten Heidelbeersträucher, die mich seit dem Frühling begleiten, verfärben sich langsam in den schönsten Rotrosa- und Violetttönen, die Vogelbeerbäume tragen leuchtend rote Beeren, auf den Wiesen blühen Herbstzeitlosen anstatt Krokuse und ich habe bereits 3 Jahreszeiten durchwandert und wäre vor Wintereinbruch gerne am Meer.

Ich denke an euch und schicke euch "Zuversicht wie ein Berg so groß".

Eure unermüdliche Wanderin auf den Spuren der kleinen und großen Träume, am Boden der manchmal ganz schön harten Tatsachen und Herausforderungen. Denke viel und immer wieder über innere Freiheit und äußere (Be)Grenz(ungen) nach.

Wünsche euch allen jede Menge innere Freiheit, denn auf das Wetter (z.b.) haben wir ja bekanntlich keinen Einfluss. :-) Also Sonne im Herzen, damit die Füße schön warm bleiben!

Mit herzlichen Grüßen
Barbara

Refugio Ospizio Sottile/Colle Valdobbia 2480m
3. September 2012

 

02.09.2012

Vergeblich. Das Val Vogna lässt mich nicht mehr los. Seit gestern Wintereinbruch, mit halbem Meter Schnee am Pass Maccagno. Gestern mussten wir auf halbem Weg umdrehen, wegen Starkregen und Nebel. Oben hat es bereits geschneit. Heute neuerlicher Versuch. Unmöglich. 9 Std. Gehzeit, ohne auch nur ein kleines Stück Weg zurückzulegen. Später mehr... [Standort]

 

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