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dream and walk about


die WeggefährtInnen
5 WeggefährtInnen, 4 Wege, 4 Gespräche über die Sehnsucht nach dem Aufbruch


Ausgangspunkt waren die gemeinsamen Spaziergänge von Barbara Kraus mit den fünf WeggefährtInnen im Februar 2012, die öffentlichen Gespräche im März 2012 im nadaLokal folgten den Spuren dieser Wege. Mit Jack Hauser, der sich aufgrund eines Loches in der Schuhsohle nasse Füsse holte, streifte sie durch Schönbrunn. Rita Tratnigg und Thomas Haderlapp holten sich bei einem Gang über die Praterwiesen zwar keine nassen Füsse, dafür jede Menge Dreck an den frisch geputzten Schuhen. Bei Schnee und eisigem Wind ging es mit Claudia Heu über die Nase des Leopoldsberges und danach über die Perchtoldsdorfer Heide Richtung Westen. Johanna Kirsch hatte die richtigen Schuhe an, die brauchte sie auch, weil Barbara sie an einen verbotenen Ort führte, wo es ziemlich sumpfig war.

Barbara Kraus im Gespräch mit:
Jack Hauser am Fr. 2. März 2012 - 20:00 Uhr
Rita Trattnigg und Thomas Haderlapp am Do. 8. März 2012 - 19:30 Uhr
Claudia Heu am Fr. 23. März 2012 - 20:00 Uhr (wegen Krankheit abgesagt)
Johanna Kirsch am Do 29. März 2012 - 19:30 Uhr

 

Von: jack@f1123.at
Betreff: Re: talking about walking/konkret
Datum: 03. Jänner 2012 08:46:28 GMT+01:00
An: BarbaraKraus@gmx.at

liebe barbara,

danke für die einladung. ich freue mich.
der 3. 9. & 23.märz sind möglich.

reisen ist für mich eine annäherung an das unbekannte. es macht die trennung zwischen fiktion und wirklichkeit durchlässig. traum und wachsein durchdringen sich. das ganze grammatikalische leben wird wie in der poesie ins chaos gestellt. lebensweise als poesie. ich könnte auch sagen: vitalismus eines melancholikers.
und wie du weisst bin ich auf der suche nach dem wunderbaren:-)
2003 habe ich mein reiseprojekt für die factory season "eine als arbeit getarnte suche" genannt. (das profane superhelden-team: it is a strange world. let's keep it that way.)
neben rimbaud ist für mich blaise cendrars extrem wichtig. und auf der wiener seite die dichter h.c. artmann und christian loidl.

alles liebe für 2012
dein jack


Von: jack@f1123.at
Betreff: Aufbruchsalons/details
Datum: 08. Februar 2012 18:18:52 GMT+01:00
An: BarbaraKraus@gmx.at

liebe barbara,

ich habe viel nachgedacht in den letzten tagen und bin nun zu folgendem vorschlag bzgl. aufbruchsalon 22. märz gekommen:

unter dem motto: die nautilus als trunkenes schiff
möchte ich den text: nautilus und trunkenes schiff von roland barthes vorlesen bzw. vorstellen.
zusätzlich bringe ich den dokumentationsfilm über die dreharbeiten von "apocalypse now" von eleanor coppola mit.

ich würde gerne den film zeigen und wir beide reden während des films. wie im wohnzimmer; also keine kinosituation sondern eine gemeinschaft von mensch & film. wir können den film stoppen oder ausschnitte wiederholen und diese eingriffe werden durch unser gemeinsames gespräch begleitet oder umgekehrt.
keine show oder lecture. eine art von wohnung miryam van doren, wo sich alles gleichberechtigt zeigen darf. ohne angst.

zu den materialien:
der text von barthes ist 3 seiten lang.
der film von eleanor coppola heisst "hearts of darkness / reise ins herz der finsternis" (1991) und dauert 92 minuten.
"apocalyse now" (1979) von francis ford coppola bezieht sich lose auf den roman "herz der finsternis" (1899) von joseph conrad.

wir brauchen einen dvd-player mit fernbedienung und einen fernsehapparat.

was sagst du zu meinem vorschlag?

ich freue mich.
alles liebe
dein jack

Jack Hauser wurde 1958 in Horn/NÖ geboren. Von 1983-86 Studium der elektroakustischen Musik. 1994 Gründungsmitglied von Lux Flux. Er gestaltet performative bildnerische Interventionen und experimentelle Arbeiten mit diversen Medien, die seit 1999 als „Wohnung Miryam van Doren“ betrieben und betreut werden. 2010 wurde während der Triennale 1.0 im Lentos Kunstmuseum Linz gemeinsam mit M1+1 die mobile Version der Wohnung ausgestellt. In den letzten Jahren kollektive, kooperative und choreographische Projekte mit Daniel Aschwanden, Karlheinz Essl, Philipp Gehmacher, Anne Juren, Krõõt Juurak, Barbara Kraus, Elke Krystufek, Machfeld, Markus Schinwald, Oleg Soulimenko, Simon Wachsmuth u.a. 2003 beginnt die Zusammenarbeit mit Milli Bitterli und ab 2005 zahlreiche gemeinsame Projekte mit Sabina Holzer. Er ist Redaktionsmitglied bei www.corpusweb.net

 

“Wir leben in Zeiten des Umbruchs. Immer notwendiger erscheint der Aufbruch in Richtung neuer Alternativen. Dazu braucht es auch einen anderen Umgang mit Widersprüchen in der Welt und in uns selbst. Künstlerische, lebens-gestalterische Überschreitungen könnten uns mögliche Wege eröffnen. Eine gleichermaßen inspirierende als auch herausfordernde Gratwanderung steht bevor, wenn Menschen, Systeme und Denk- und Handlungsweisen in Gang geraten. Durch Deine bevorstehende Performance "about walking" wird wohl bei den RezipientInnen und insbesondere bei den BegleiterInnen, wie auch bei uns, vieles *in Gang* kommen und es ist aktuell unschwer zu konstatieren, dass auch die Paradigmen auf denen unsere Gesellschaft derzeit *fußt* *im Aufbruch* befindlich sind ... Dies Allem einerseits *nachzugehen* und andererseits *vorwegzuschreiten*, ist wohl die zeitgemäße (lebens-)künstlerische, sprituelle und philosophische Herausforderung, deren *Beschreitung* bereits den darin liegenden Genuss verkörpert und deren Ergebnis als *Wegweisung* relevant werden kann. Wir freuen uns auf unser Treffen und Gespräch am Do!"

Rita Trattnigg und Thomas Haderlapp, Wien März 2012


Rita Trattnigg Politologin und promovierte Philosophin, wirkt als Expertin für Zukunftsfähigkeit im Lebensministerium, als Begleiterin von sozialen Wandel-Prozessen, als freie Forscherin und als Demokratie-Aktivistin (u.a. Mitarbeit am Aufbau einer Demokratischen Bank), der die individuelle und kollektive Selbstermächtigung ein wichtiges Anliegen ist. Ausbildungen und Praxis als u.a. als Dialogbegleiterin, Großgruppenmoderatorin und systemischer Coach.Sie gestaltet und begleitet soziale Prozesse mit allem, was „Art of Hosting“, die Kunst des Gastgebens und andere Begleitungsansätze anzubieten haben (u.a. Dialog, Council, Circle, tiefenökologischer Ansatz). Wesentlich ist für sie die Er-öffnung von Räumen, in denen bedeutungsvolle Gespräche stattfinden können und die Schaffung einer einladenden Atmosphäre, die es den Menschen ermöglicht, sich mit dem zu zeigen, was ihnen wichtig ist. So kann sich schließlich Ko-Kreation ereignen. Die Irritationen, die in der Begegnung von Menschen immer auch entstehen, sind willkommen, weil "Irritation“, so meint sie, „die Knospe des Lernens ist." Die Intention der Prozessbegleitung ist die Anregung von individueller und kollektiver Selbstreflexion und Selbstorganisation.

Thomas Haderlapp ist Philosoph und Publizist und beschäftigt sich mit den Themen Nachhaltigkeit und Lebensqualität. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Zukunftsforschung der Fachhochschule Salzburg mit den Themenschwerpunkten Lebensqualität, Sozialkapital und Methoden partizipativer Zukunftsgestaltung. Davor war er im Vorstandssekretariat der Bank Austria Creditanstalt mit den Aufgaben Corporate Social Responsibility und nachhaltigkeitsrelevanten Themengebieten betraut und als Assistent im Europäischen Parlament in Brüssel.

“Nach den inspirierenden Gesprächen mit Jack Hauser, Rita Trattnig und Thomas Haderlapp ist diesmal die Künstlerin Claudia Heu mein Gast. Wir sind uns durch und über die Pippibande hinaus näher gekommen und teilen seither wesentliche Fragen in Bezug auf unsere Lebens- und Kunstpraxis. In unserem Gespräch wird es also über´s leben, arbeiten und reisen gehen, über neue Wege und das sich immer wieder auf´s neue er/finden (müssen/dürfen). Was dann mitunter zu einem Terror der Entscheidungen führt. Wir teilen die Sehnsucht weiterzuziehen und den Wunsch zu bleiben.”


Claudia Heu ist freischaffende Künstlerin und Performerin. 1997 gründete sie das onnotheater, dessen Interesse den Verschiebungen der Begrenzungen des Theaters galt. Dies erfolgte durch Erforschung der Trennlinie zwischen Realität und Fiktion, sowie durch Verschiebung und Demontage der so genannten vierten Wand, um die unsichtbare Trennlinie zwischen Publikum und PerformerInnen sichtbar zu machen und aufzulösen. Seit 2003 leitet sie mit Jeremy Xido CABULA6. Die Company zeigt ihre Arbeiten in Europa, Südamerika und den Vereinigten Staaten. Mittels künstlerischen Interventionen arbeitet sie in öffentlichen Räumen, u.a. in den Favelas von Saõ Paulo, Krankenhäusern, Einkaufszentren, und Gefängnissen.

 

"Vor ein paar Jahren ist mir Folgendes passiert. Ich hatte gerade einige Wochen mit intensiver Arbeit vor dem Computer verbracht und wollte nun zu einem Konzert aufbrechen. Dazu suchte ich im Internet die Adresse heraus und wollte soeben den Google Maps Plan ausdrucken als der Drucker mir meldete die Drucker Patrone wäre aus. Meine erste Reaktion war: oh! oh je, jetzt muss ich wohl Zuhause bleiben. Mit dem Gehen kommt es mir manchmal so ähnlich vor. Wir haben einfach vergessen dass unser Körper dazu geschaffen ist ohne Hilfsmittel Raum zu beschreiten und haben diese Fähigkeit in den Bereich des Sportes, der Spirituellen Suche und der Freizeitgestaltung (Quality Time!) verbannt. Gehen kommt als Option meistens überhaupt nicht in Betracht (es ist eine Ausnahmeerscheinung). Wir leben in einer Zeit die geprägt ist von verzweifelten Versuchen sich wieder neue Welten aufzutun, Alternativen zu finden und unsere Gedanken durch außerordentliche Reize irgendwie aus ihrer Box zu holen, unsere Wahrnehmung zu hinterfragen und uns das Gefühl von Freiheit zu beschaffen. Das kostet oft sehr viel Geld und man braucht meistens die neueste Ausrüstung, Fachwissen, Training oder ein Zeugnis dafür. Was aber passieren kann wenn man mit einem Minimum, nämlich den eigenen Füssen, da wo man gerade ist, vom Fleck weg diese bekannten Pfade die Böschung hinunter und durchs Loch im Zaun verlässt, das kann schon zu gröberen Abenteuern führen." Johanna Kirsch, Wien März 2012


Johanna Kirsch (geb. 1980, Salzburg, AT) lebt und arbeitet zurzeit in Wien. In Kirschs Arbeit geht es um die Suche nach Freiheit. Wie weit sind bestehende Bindungen, Normen, Regeln, Grenzen und Kategorien wirklich unmittelbar relevant oder real, wo entsprechen sie individuellen, wo gesellschaftlichen Bedürfnissen und wie definieren sich diese Bedürfniswelten und ihre Phantome. Gibt es persönliche und gemeinschaftliche Autonomie jenseits von Hierarchie und Unterdrückung anderen Wesen oder unseren Lebensgrundlagen gegenüber? Kirschs Interesse liegt darin, sowohl konkrete Bedürfnisse als auch die damit verbundenen Regeln (oft physisch) zu testen. Ihr künstlerisches Experiment versucht einen Möglichkeitsraum und eine Veränderung der Perspektive zu schaffen. Dabei passt sich das Medium dem jeweiligen Kontext an und kann die Form von Performance, Installation, Zeichnung, Video, Text, Film und allen möglichen Zwischenbereichen annehmen.